Um eine Transformation hin zu einer nachhaltig lebenden Gesellschaft braucht es einer enormen Kraftanstrengung: Es bedarf einer Wende in den Machtverhältnissen weg von kurzfristigem, profitorientiertem Handeln hin zu langfristigem, globalem Denken. Und es bedarf der unermüdlichen Energie aller Mitwirkenden.
Veränderung ist Teil des Lebens - ein manchmal beunruhigender, oft spannender und positiver Teil. Sind doch die meisten Veränderungen, vor denen man zunächst Angst hat – Umzug, Jobwechsel, das Ende einer Beziehung – meist im Nachhinein Verbesserungen im Vergleich zu dem vorherigen Zustand. Stillstand dagegen bedeutet Kälte, Starre, Tod, sei es in einer Beziehung, im Beruf oder im Leben. Angst ist daher eher angebracht bei Stillständen als bei Veränderungen.
Wir können die notwendigen Änderungen in unserer Gesellschaft bewältigen, und diese Veränderungen können sehr viel Kraft und Freude bringen. Das kann man in vielfältiger Weise beobachten, wenn man mit Menschen zu tun hat, die sich für den Klimaschutz und 100% Erneuerbare Energien einsetzen.
In den letzten Jahren sind viele Träume in Erfüllung gegangen. Dank der Menschen, die mit ihrem Innovationsgeist neue Wege weg von fossilen Energien ermöglichen; Dank von Unternehmern, die ihr Geld in Solaranlagen und Passivhäuser anlegen; Dank der Aktivisten, die sich unablässig für die Energiewende einsetzen; Dank all der Menschen in Deutschland, Europa und der ganzen Welt, die ihre Energie, Kraft und Macht für eine lebenswerte Zukunft einbringen; und seit 2018 Dank Greta Thunberg und all der anderen jungen Aktivistinnen der Fridays fpr Future-bewegung, die sich für ihre und usner aller Zukunft einsetzen. Dabei ist jeder einzelne wesentlich. Selbst wenn einzelne Projekt klein sein mögen, ist ja die Summe der Projekte auschlaggebend, welche die Veränderungen bewirken.
Hat sich wirklich schon so Vieles zum Positiven verändert? Ist das nicht nur eine leere Floskel, um uns Mut zu machen? Bei all den negativen Nachrichten erscheint Optimismus naiv. Doch es gibt tatsächlich viele positive Veränderungen. Diese bleiben aber oft unerwähnt, vielleicht weil sie weniger Schlagzeilen machen. Hier einige Schmankerl der positiven Veränderungen die ich später näher beschreiben werde:
Die Erneuerbaren Energien (EE) sind weltweit auf dem Vormarsch. Inzwischen ist es billiger, Strom aus Erneuerbaren Energien (EE) als aus fossilen Energieträgern zu erzeugen.[1] Kein Wunder, dass die Investitionen in EE weltweit rasant anwachsen. Im Jahr 2016 waren die Investitionen in EE doppelt so hoch wie in fossile Energien.[2] Inzwischen werden mehr als 20 % der weltweit produzierten Elektrizität aus EE gewonnen.[3]
Um Schwankungen in der Stromerzeugung ausgleichen zu können, sind Energiespeicher notwendig. Auch diese haben kräftig zugelegt: Die Speicherkapazität für Elektrizität stieg 2015 weltweit um fast 40% - von 160 Megawatt 2014 auf 250 Megawatt 2015 (ohne Pumpspeicherwasserkraft und Bleibatterien). [4] Wärme und Mobilität zu 100% aus EE zu ermöglichen ist etwas schwieriger; aber auch hier gibt es enorme Fortschritte (dazu später mehr).
Die meisten Studien zu den Möglichkeiten einer 100%-igen Energieversorgung aus EE zeigen: Die Energie, die für Strom, Wärme und Mobilität notwendig ist, kann weltweit innerhalb von 15 – 35 Jahren zu 100 % aus Erneuerbaren Quellen erzeugt werden (siehe Kapitel 2). Auch wenn in Deutschland im Moment die Energiewende ausgebremst wird, stehen doch in den meisten anderen Ländern die Energieampeln auf Grün. Change ist machbar. Weltweit.
Immer mehr Kommunen warten nicht mehr auf Regelungen der Regierung. Sie ergreifen selbst die Initiative und beschließen, „energieautark“ zu werden, also Strom und Wärme selbst zu produzieren – und zwar zu 100% aus Erneuerbaren Energien. Energieautarke Gemeinden zeigen uns, wie die Welt in Zukunft aussehen kann. Weder leben die Menschen dort in Höhlen, noch haben sie nicht alles, was ein moderner Mensch benötigt. Change ist machbar. Vor der eigenen Haustür (siehe Kapitel a)und c)).
Von Jahr zu Jahr setzen sich immer mehr Bürger für den Klimaschutz ein. Klimaschutz ist nicht mehr eine Nische einer ökologisch gesinnten Minderheit, sondern er ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das sieht man vor allem daran, dass
· sich immer mehr Firmen freiwillig zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz verpflichten
· der Klimaschutz im Rahmen von Bildung für nachhaltige Entwicklung einen wichtigen Stellenwert erhalten hat
· immer mehr Bürger den Klimaschutz als wesentlichen Beitrag für die Zukunft ansehen; das zeigt u.a. eine Umfrage der Universität Hamburg vor der Pariser Klimakonferenz 2015.
· sich die Länder der Welt durch das Inkrafttreten des Pariser Abkommens im Winter 2016 zum Engagement für den Klimaschutz verpflichtet haben.
Abbildung 1. Das Wohnei bietet ernergieautarkes Wohnen auf kleinstem Raum. Copyright: Ecocapsule.
Stellen Sie sich vor – eine Stadt ohne Autolärm, ohne Motorrad-Geknatter, ohne den Krach durch Rasenmäher und Blätterbläser. Stattdessen grüne, ruhige Städte mit viel Platz zum Spielen und Flanieren, denn die Parkplätze sind zum großen Teil abgeschafft; wohlige Wärme im Plusenergiehaus ohne Angst, die Heizkosten nicht bezahlen zu können; Nahrungsmittel, die schmecken und bei denen man ohne Sorge zulangen kann, denn sie wurden im eigenen Ort produziert und sind 100% frei von Pestiziden und Herbiziden. Stellen Sie sich das Gefühl vor, die Gewissheit zu haben, auch in Zukunft gut und sicher leben zu können. Um dies zu ermöglichen sind politischer und persönlicher Einsatz vieler Akteure notwendig, ebenso wie technische Erneuerungen. Davon gibt es eine große Zahl fantastischer Erfindungen, die zeigen, dass Change machbar ist.
Schon heute ist es zum Beispiel möglich, dass nicht nur Strom und Wärme regional produziert, sondern auch die meisten Nahrungsmittel vor Ort erzeugt werden. Eine Kommune, in der dies möglich ist, liegt am Stadtrand von Amsterdam. Dort wird u.a. Fischaufzucht und Gemüseanbau über die sogenannte Aquaponik kombiniert, indem das von den Fischen mit Nährstoffen angereicherte Wasser die Pflanzen mit natürlichem Dünger versorgt.
Abbildung 2. Das solarbetriebene Einmann-Flugzeug umflog die Welt. Copyright: Solarimpulse.
Wer lieber als Individualist lebt, kann sich ein Wohn-Ei besorgen. Diese „Ecocapsule“[5] genannte Erfindung bietet kuscheligen Wohnraum auf etwa 9 m2. Energie wird von einer Photovoltaikanlage auf dem Dach (bis zu 600 W) und mit Hilfe eines Windrads (bis zu 750 W) erzeugt und mit einem 9744-Wh-Akku gespeichert. Seit 2016 wird dieses Wohnei kommerziell vertrieben – eine ideale Wohnstätte für rebellierende Teenager, Aussteiger oder ganz einfach für Menschen, die ihr Leben vereinfachen wollen. Natürlich kann das Wohnei nicht die Lösung für die Wohn- und Energieprobleme der gesamten Menschheit sein – es würde zu stark die Natur belasten, wenn sich 7 Milliarden Menschen ihre Wohneier aufstellen würden. Aber das Wohnei halte ich für ein wunderschönes Beispiel für den Erfindungsreichtum der Ingenieure.
Viele andere Erfindungen warten nur darauf, großflächig eingesetzt zu werden – wie zum Beispiel Farben oder Folien, die aus Sonnenlicht Strom erzeugen können. Diese Erfindung wird vielleicht auch einmal Passagierflugzeuge antreiben. Schon heute gibt es ein Solarflugzeug, das tagelang fliegen kann, das SolarImpuls.[6]
Die Voraussetzungen für eine Große Transformation sind also vorhanden. Aber sind diese Veränderungen wirklich dringend notwendig? Welche technischen Möglichkeiten gibt es dazu? Und welche Wege zum Wandel sind möglich?
[1] Metastudie aus dem Jahr 2014 zu Stromgestehungskosten und Kosten der Energiewende von der Agentur für EE. Siehe
[2] Artikel von Tom Randall in bloombertg.com vom 6.4.2016: Wind and Solar Are Crushing Fossil Fuels; online unter https://www.bloomberg.com/news/articles/2016-04-06/wind-and-solar-are-crushing-fossil-fuels; abgerufen am 26.12.2016
[3] Renewables 21. Global Status Report 2015
[4] Renewables 21. Global Status Report 2015
[5] www.ecocapsule.sk; abgerufen am 5.10.2016
[6] www.solarimpulse.com; abgerufen am 5.10.2016