„Was würde mein Vater heute tun?“ fragte ich vor einiger Zeit einen alten Kollegen, der am National Institute of Health in Washington D.C. gearbeitet hat. „Er würde ganz bestimmt auch für Natur- und Klimaschutz auf die Straße gehen!“
Ich kenne meinen Vater nicht. Er starb als ich vier Jahre alt war. Eine Lawine erfasste ihn, nachdem eine Hüttenwirtin ihn und seinen Freund abends zur nächsten Hütte schickte - die Hütte sei voll. Später stellte sich heraus, dass die Wirtin ein Stelldichein im Dorf hatte.
Mein Vater war ein Vollblut-Wissenschaftler. Dass er heute protestieren würde, macht mich glücklich. Denn Wissenschaft und Aktivismus sind nicht unbedingt zwei
Bereiche, die gut miteinander klarkommen: Wissenschaftler befürchten, durch Aktivismus ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren; und Aktivisten sind nicht immer ganz genau im Beschreiben
wissenschaftlicher Fakten. Dabei sind beide Bereiche wesentlich, um als Menschheit langfristig gut auf Planet Erde zu überleben. Wir brauchen klare Fakten, um notwendige Maßnahmen überzeugend
vermitteln zu können; und wir brauchen menschen, die sich trauen, diese notwendigen Maßnahmen klar und deutlich einzufordern.
ZAls ich die obigen Zeilen schrieb, da gab es noch keinen March for Science, kein Fridays for Future, keine Scientists for Future. Aktive Wissenschaftler wurden als unwissenschaftlich geächtet. Kaum zu glauben, wie viel sich in nur einem Jahr geändert hat! Das macht Hoffnung. Endlich leben Wissenschaftler nicht mehr in einem Elfenbeinturm. Sie beginnen, sich für ihr Wissen politisch zu engagieren. Eine Zeitenwende, die zwar arg spät, aber hoffentlich noch rechtzeitig erfolgt.
Die Entdeckungen der Wissenschaft werden inzwischen viel effektiver kommuniziert. Dazu haben vor allem die Jugendlichen von Fridays for Future beigetragen, die ganz einfach klare Ansage machen, um was es beim Klimawandel geht: Um das Überleben der Menschheit. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Menschen den Optimismus bewahren, sich persönlich für unser aller Zukunft einzusetzen. Eine schwierige Balance.
Diese Seiten zeichnen meinen Weg auf, von der Wissenschaftlerin zur Aktivistin. Ein Weg, der sicher bei vielen Menschen ganz ähnlich verläuft. Im Grunde gibt es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen: Die Liebe zu Natur und Mitmenschen, und die Sorge um unsere Zukunft.
Eine Wende ist vielleicht noch machbar. Aber nur, wenn wir uns immer wieder begeistern lassen, wenn wir uns trauen, uns für unsere Zukunft einzusetzen und wenn wir offen bleiben für die Befürchtungen anderer, so dass wir einen Weg finden, auf dem wir mit möglichst vielen Menschen gemeinsam gehen können. Es ist nicht garantiert, dass wir die Wende rechtzeitig schaffen. Aber es ist klar, was passiert, wenn wir uns nicht einsetzen. Wir haben die Wahl – Kinder werden diese Wahl nicht mehr haben