Liebe für die Schöpfung als Straftat?

Kirchenmenschen am Valentinstag vor Gericht

 

Prozess gegen kirchennahe Klimaaktivist:innen: Der Kampf für Klimagerechtigkeit im Gerichtssaal. Auch die Vorsitzende von WissenLeben e.V., Dr. Maiken Winter, ist angeklagt.

 

Am Freitag, 14. Februar 2025 um 08:30 Uhr wird am Amtsgericht Nürnberg ein richtungsweisender Prozess stattfinden. Vor Gericht stehen an diesem Tag drei kirchennahe Klimaaktivist:innen, die im Zuge einer Protestaktion beim Deutschen Evangelischen Kirchentag im Juni 2023 den Bereich vor dem Nürnberger Hauptbahnhof kurzzeitig für den Automobilverkehr friedlich blockierten. An der Protestaktion waren insgesamt 16 kirchennahe Klimaaktivist:innen der Kirchen-vernetzungsgruppe der damals „Letzten Generation“ beteiligt.  Dazu gibt es einen eindrücklichen Film, der die Stimmung am Kirchentag und bei der Protestaktion sehr gut wiederspiegelt.

 

Prozessbeginn:

14. Februar 2025, 08:30 Uhr

Amtsgericht Nürnberg, Raum 126, 1. Stock

Mahnwache:

Ab 07:30 Uhr vor dem Amtsgericht Nürnberg, Fürther Straße 110

 

Die Gruppe von engagierten Bürger:innen brachte damit ihre tiefe Sorge über die globale Klimakatastrophe zum Ausdruck und ihre Verantwortung gegenüber der Schöpfung. Viele Unterstützer:innen und zufällig vorbeikommende Kirchentags-Teilnehmende zeigten ihre Solidarität durch Zuspruch und Gesang vom Straßenrand aus.

 

Am Kirchentag war das Thema der ökologischen und gesellschaftlichen Verantwortung in Zeiten der Klimakatastrophe in zahlreichen Veranstaltungen präsent. In Hallen und Kirchen, bei Gottesdiensten, Workshops, Podiumsdiskussionen und öffentlichen Aktionen der Zivilgesellschaft, wie z. B. einer Menschenkette, waren das Klima-Thema und die Letzte Generation sehr präsent. Selbst im Abschlussgottesdienst wies Pastor Quinton Ceasar die Menschenmenge darauf hin, dass „ALLE die Letzte Generation seien“ - was mit zustimmendem Jubel quittiert wurde.

 

"Ich finde, sie ihnen sollte gedankt werden statt sie zu verurteilen" meint der Träger des Alternativen Nobelpreises, Bill McKibben, zu der Aktion.

 

Dieser Prozess findet in einem außergewöhnlichen Kontext statt: 1,5 Jahre nach der Blockade erleben wir immer dramatischere Folgen der Klimakrise – so war 2024 das heißeste Jahr aller Zeiten, das erste Jahr mit einer globalen Durchschnittstemperatur von über 1,5 Grad Celsius. "Jahrhundertfluten" in Bayern, in Deutschland Schäden in Milliardenhöhe, zuletzt die Feuersbrunst in Los Angeles haben uns vor Augen geführt, wie dramatisch die Klimakrise fortschreitet. Es ist Konsens in der Klimawisenschaft, dass ein Überschreiten klimatischer Kipp-Punkte immer wahrscheinlicher wird, wenn die CO2-Emisisonen nicht sofort radikal reduziert werden. Doch trotz aller alarmierenden Entwicklungen wird die juristische Auseinandersetzung mit den Klimaaktivist:innen weitergeführt.

 

Den Aktivist:innen wurde im Juli 2024 eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen a 50 Euro auferlegt. Menschen, die aus einer tiefen Verantwortung gegenüber der Schöpfung und der Demokratie handelten, sollen nun vor Gericht als Straftäter:innen verurteilt werden, weil sie gewaltfrei den Verkehr kurzzeitig blockierten, um auf die drängende Klimakrise aufmerksam zu machen.

 

Prof. Dr. Markus Vogt, Lehrstuhlinhaber für christliche Sozialethik an der LMU nimmt Stellung zu der Aktion: "Der Widerstand ist Ausdruck der Hoffnung, dass doch noch eine ökologische Umkehr möglich ist. Christliche Hoffnung hat sich immer auch im Widerstand gegen Ungerechtigkeit geäußert. Gerade angesichts der stillen Resignation gegenüber den Herausforderungen der Zukunft, die sich gegenwärtig besonders unter Jugendlichen ausbreitet, waren die Aktionen ein verzweifelter, aber zutiefst christlich motivierter und solidarischer Versuch, die Gesellschaft aufzurütteln: Statt zu verdrängen, müssen wir endlich die Dringlichkeit eines raschen Umsteuerns hin zu mehr Klimagerechtigkeit anerkennen. Die hohen Strafen für die Protestaktionen in Bayern sind aus ethischer Sicht unverhältnismäßig."

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