Wir brauchen zivilen Ungehorsam

Demonstrationen reichen nicht mehr aus. (c) Maiken Winter
Demonstrationen reichen nicht mehr aus. (c) Maiken Winter

Hier das Eröffnungs-Statement von Sarah Lodenhofer beim Gerichtsprozess in München:

 

Bisher hat sich Deutschland bereits um 1,6 Grad erhitzt und wir alle sehen jetzt schon, wie unsere Flüsse austrocknen, wie unsere Wälder brennen und wie jedes Jahr allein in Deutschland tausende Menschen an Hitze sterben. Auch Infektionskrankheiten werden immer wahrscheinlicher und daher ist die Corona Pandemie für meine Generation nur ein Vorgeschmack auf das, was uns in Zukunft noch erwartet.

 

Schon seit Jahren verlieren Menschen im globalen Süden ihre Lebensgrundlage. In Madagaskar Äthiopien, Somalia, Kenia, Nigeria und so vielen weiteren hungern, dürsten und fliehen Menschen, weil wir, die Industriestaaten, die Klimakrise immer weiter antreiben.

 

Seit ich das im Kindesalter verstanden habe, haben mich Schuldgefühle geplagt:

Wie kann ich, wie können wir alle, unseren Wohlstand genießen, wenn wir doch wissen auf wessen Rücken er entstanden ist und dass er durch Ausbeutung aufrechterhalten wird. Auch in meiner Arbeit in der Jugendhilfe bin ich immer wieder auf Kinder getroffen, die wegen der Klimakrise unter Schuldgefühlen und Zukunftsängsten leiden.

 

Unsere ganze Generation plagen wissenschaftlich begründete und gerechtfertigte Ängste: 45% von befragten Jugendlichen in einer Studie der University of Bath gaben an, dass Klimaangst ihren Alltag bestimme; die Hälfte der jungen Frauen haben aus diesem Grund Angst davor, Kinder zu bekommen. Mit aller Kraft habe ich also von klein auf versucht, so wenig Emissionen wie möglich zu verursachen, habe mich eingeschränkt und verzichtet. Bis ich irgendwann verstanden habe, und wir alle müssen das unbedingt verstehen: Egal wie wenig ich verbrauche, es rettet niemanden, solange Konzerne wie RWE immer weiter in fossile Energien investieren.

 

 

70 % der Emissionen weltweit werden von nur 100 Unternehmen verursacht. Das zeigt, dass es politische Lösungen braucht, damit diese Wenigen nicht weiter ihren persönlichen Nutzen maximieren können und damit dafür sorgen, dass unsere Zukunft von Krisen, von Naturkatastrophen und bitteren Kriegen um bewohnbares Land und Wasser geprägt sein wird. Wir müssen uns als Zivilgesellschaft gegen diese Ungerechtigkeit stellen.

 

Wenn wir so weiter machen wie bisher, dann erreichen wir 2030 die ersten Klima-Kipppunkte (Anmerkung Winter: Mindestens ein Kipp-Punkt - das Schelzen des arktischen See-Eises - ist schon erreicht). Das bedeutet, dass Ökosysteme, die unser Klima stabilisieren unter der steigenden Hitze kollabieren werden. Damit erhitzt sich die Erde dann wie durch einen riesigen Dominoeffekt immer weiter auf - egal, ob wir dann noch Emissionen verursachen oder nicht - und das um bis zu 6 Grad (Anmerkung Winter: oder mehr; denn das maximum der Erwärmung nach Überschreiten der Kipp-Punkte ist nciht bekannt).

 

Ich will mir schon eine 3 Grad heißere Welt nicht vorstellen, weil ich zu viel Angst davor habe und wenn ich lese, dass wir mit dem aktuellen Kurs locker die 4, vielleicht sogar die 6 Grad erreichen, dann könnte ich direkt los heulen vor Angst und vor Wut . Vor Wut, weil Politiker die Gesellschaft nicht darüber aufklären, in was für eine Katastrophe wir stolpern. Weil sie nicht ihre Pflicht erfüllen und Sofortmaßnahmen ergreifen, um unser Leben zu schützen.

 

Und deswegen braucht es die Zivilgesellschaft, die Courage zeigt und sich für ihre eigene Zukunft und die ihrer Kinder einsetzt. Denn wir sind die letzte Generation, die den Klimakollaps noch aufhalten kann. Dafür reichen Demonstrationen nicht mehr aus. Nachdem Fridays for Future mit Millionen von Menschen demonstriert haben, wurde trotzdem ein verfassungswidriges, weil ungenügenden, Klimaschutzgesetz verabschiedet und der Emissionsausstoß steigt Jahr für Jahr weiter an.

 

Wir brauchen Zivilen Ungehorsam. Die Geschichte zeigt, dass er wirkt: Ohne ihn hätten die Frauen in Großbritannien kein Frauenwahlrecht durchgesetzt und ohne ihn hätten mutige Menschen wie Rosa Parks nicht die Rassentrennung in den USA beendet. Also ja, ich habe mich auf diese Straße gestellt, um Alarm zu schlagen. Um so Aufmerksamkeit auf dieses, für uns alle lebenswichtige Thema zu lenken. Ich finde es richtig, dass ich das gemacht habe und werde, egal, ob ich dafür Repressionen in Kauf nehmen muss, weiter auf die Straße gehen, um unser Recht auf Zukunft einzufordern.

 

Hier die Statements von Luca und von Annina.

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