Ein befreundetes veganes Paar beschloss, mehr für den Klimaschutz zu tun. Sie wollen ökologisch angebaute Nüsse und Trockenfrüchte in größeren Mengen kaufen, um Verpackung zu sparen.
Interessenten können dann über sie bestellen. Eine sympatische Idee, die mir wochenlang Kopfzerbrechen verursachte. Denn die Grenzen zwischen nachhaltigem Handeln und persönlichem Greenwashing
erscheinen mir verschwommen und schwer zu benennen. Hier mein Versuch einer Reaktion.
Liebe Freunde,
eure Idee ist sehr ansprechend und sympatisch: Man tut etwas für die Gemeinschaft; man reduziert Müll; man bringt Freunde und Bekannte dazu, über eine andere Art von Ernährung (Veganertum) nachzudenken. Das ist für sich genommen ein sehr ansprechender Ansatz.
Dennoch befürchte ich, dass dieser Ansatz zu kurz ansetzt, denn
- Nüsse aus fernen Ländern sind nicht nachhaltig, auch wenn sie ökologisch angebaut sind, denn der Transport erfolgt ja nicht mit dem Segelschiff...Warum Macademia Nuts und Cashews aus fernen Ländern bestellen, wenn es auch Nüsse aus Europa gibt?
- Trockenfrüchte sind lecker, aber braucht man die wirklich? Frisches regionales Obst ist viel nachhaltiger. Das ist ähnlich wie Kaffeepads, die aus recyceltem Aluminium sind. Toll, dass sie recycled sind - aber noch besser ist es, sie gar nicht zu kaufen. Falls ihr unbedingt Trockenobst wollt, wie wäre es, einen solaren Dörrschrank selbst zu bauen und ihn mit regionalem Obst zu bestücken?
- Die Leute, die sich die Bestellungen abholen, reisen alle mit dem Fahrrad oder ÖPNV an, oder?
Die grundsätzliche Frage ist jedoch: Wie viel Verbesserung im Klimaschutz bringt eure Initiative - ausser dass sie Spaß macht und man sich dabei gut fühlt? Lohnt sich der Zeit- und Energieaufwand oder könnte man diese nicht in effektivere Maßnahmen stecken? Und stattdessen in Unverpackt-Läden einkaufen und diese unterstützen?
Und die noch grundsätzlicher Frage ist: Bekommt ihr und die Teilnehmer eurer Initiative über eure Aktivitäten das Gefühl, einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und entschuldigt ihr dafür andere Aktivitäten, die insgesamt die (geringe) Nachhaltigkeitswirkung aufheben?
Es ist ein psychologisches Grundproblem, welches Andreas Meissner in seinem Buch "Mensch was nun?" sehr anschaulich beschreibt, dass Menschen dazu tendieren, das zu tun, was für sie einfach und naheliegend ist, und sich dann über diese Taten rechtfertigen, in anderen Bereichen nicht nachhaltig zu handeln. Zum Beispiel gibt es Menschen, die ihr Auto verkauft haben und sich damit dann rechtfertigen, jedes Jahr in den Urlaub zu fliegen.
Wir sind allesamt nicht immun gegen diese Denk - und Handlungsweise. Allen voran ich nicht. Aber wir sollten uns bewusst sein, was wir machen und entsprechend versuchen, über unseren eigenen Schatten zu springen. Das ist sehr schwer und braucht viel Zeit. Doch wir haben nur sehr wenig Zeit um eine Klima-Katastrophe zu verhindern; sehr wenig Zeit. Deswegen hilft es nicht, uns gegenseitig auf die Schultern zu klopfen und zu sagen "Toll macht ihr das!". Nein, wir müssen kritisch miteinander umgehen und uns gegenseitig anstacheln, noch mehr zu tun. Denn wenn selbst die, die verstehen, um was es geht, Zeit und Energie in Dinge stecken, die relativ wenig bewirken, dann werden wir die Wende nicht rechtzeitig schaffen. Die Titanic ist auf vollem Kurs gegen den Eisberg, da hilft es nicht das Lenkrad leicht anzustupsen - es muss mit größter Kraft und so schnell wir möglich voll umgerissen werden; mit unser aller Hilfe.
Gleichzeitig ist eure Initiative sehr sympatisch, und ich möchte sie nicht im Keim ersticken. Wäre es möglich, sie etwas aufzupäppeln? Gäbe es Dinge, die zusätzlich noch mehr Schlagkraft hätten? Z. B. den Freunden und Bekannten, die sich ihre bestellten (rein europäischen) Nüsse und Früchte holen, auch gleich eine Zusammenstellung mitzugeben, wie sie insgesamt nachhaltiger leben können? Dazu gehören natürlich allen voran Ökostrom, Bankwechsel (siehe: https://urgewald.org/bankwechsel), und Versicherungswechsel (siehe Greensurance: https://www.greensurance.de/nachhaltige-versicherung/) - und dies selbstverständlich auch selbst praktizieren?
Meine Nachricht soll keine Kritik sein, nur ein Nachdenkanschub; ich war anfangs selbst begeistert von eurer Idee. Da merkt man, wie schnell man vom Kleinen und Einfachen angezogen wird; dabei vergisst man leicht das Große, das uns insgesamt sehr viel weiter bringen würde.
In diesem Sinne viel Erfolg beim Nachdenken, wo und wie ihr noch Größeres bewirken könnt. Wir brauchen alle, die etwas für den Klimaschutz tun wollen und können - aber der Einsatz sollte möglichst effektiv sein, damit wir noch eine Chance haben, eine Klimakatastrophe zu vermeiden.
Danke für eure Mithilfe!
Liebe Grüße,
Maiken
Nachtrag am 28.6.2019:
Martin Perscheid hat in seinem Kartoon das "Klein-Klein" angesichts der Größe des
Problems wunderbar überspitzt dargestellt. Genau darum geht es. Genau so handeln wir oft. Ich auch. Jeder von uns.
Es geht darum, sein eigenes Handeln und das der anderen zu Hinterfragen und ehrlich anzusprechen, was eventuell effektiver sein kann. Die Gefahr besteht natürlich, Menschen dadurch zu demotivieren. Gleichzeitig motivieren wir vielleicht andere, effektiver zu sein. Hoffentlich.
Kommentar schreiben
Rita Wiedmann (Dienstag, 18 Juni 2019 08:03)
Hallo Maiken, deine Gedanken sind sehr anregend und konstruktiv geschrieben. Ich denke die ehrliche Auseinandersetzung mit dem Thema und die gegenseitige Untetstützung tun gut.
Herzlichst Rita
Maiken Winter (Dienstag, 18 Juni 2019 08:50)
Danke. Aber leider fühlen sich Menschen durch kritische Überlegungen oft persönlich angegriffen. Die Waage zu halten - ehrlich sein, klar sein, aber motivierend und eindeutig nicht persönlich sondern allgemein ...das ist unglaublich schwer. Wenn man dann motivierte Einzelkämpfer verliert, dann hat man das Gegenteil bewirkt zu dem was man wollte. Vielleicht ist das dann halt der kleine Verlust, den man hat . Solange insgesamt mehr Menschen motiviert werden mehr zu tun ist es ja gut (?).
Herzliche Grüße,
Maiken
Gunter Wiegand (Dienstag, 18 Juni 2019 13:50)
Hallo Maiken.
ich finde Du hast es gut getroffen.
Problem ist beschrieben und gute Alternativen sind aufgezeigt, was will man mehr, oder?
Das Naheliegende wird oft übersehen, geht mir ja auch oft so.
Ansonsten hier gibt es gesegelten Kaffee, habe ich auch schon bestellt.
https://www.slokoffie.de/
Gruß
Gunter
Maiken (Dienstag, 18 Juni 2019 19:15)
Das ist ja eine supertolle Sache! Gibt es das auch für andere Produkte?
Gut, also, ich bestelle dort mal Kaffee. Um Verpackung zu sparen (der Ansatz ist ja schon sehr gut!) bestelle ich mal xx (??) Packungen. Wer in der Umgebung von Weilheim, OB, hätte gerne eine 500-g Packung fair-gehandelten Segelkaffee? Ja, selbstverständlich ist er teurer als anderer Kaffee. Die Konsequenz ist wohl, einfach weniger Kaffee trinken - ist eh gesünder.
Dank dir für den Link, Gunter!
Antje (Mittwoch, 19 Juni 2019 13:30)
Liebe Schwester!
Deine Ausführungen kann ich gut nachvollziehen. Oft sind unsere gut gemeinten Handlungen nur halb-wirksam, weil wir die gesamten Umstände und Konsequenzen nicht umreißen (können). Dennoch sind sie wertvoll, da sie zumindest zeigen, dass viele sich für die Thematik der Nachhaltigkeit sensibilisieren und zu einem Umdenken und Anders-Handeln bereit sind.
Und ich hätte gerne 2 kg vom Kaffee. Und wehe, wenn der nicht schmeckt! (Dann musst du ihn alleine trinken!)
:-) Deine Antje
Maiken (Mittwoch, 19 Juni 2019 13:40)
Toll, Bestellung angekommen! gerne trink ich den ganzen Kaffee :)
Ja, deswegen hadere ich ja. Es ist natürlich wertvoll, wenn sich Leute einbringen. Aber wir tun so, als ständen wir ganz am Anfang der notwendigen Veränderungen, als hätten wir viel Zeit. Solche Aktionen wären noch vor 10 Jahren ja total ok. Aber heutzutage grenzt es fast an Hohn, so ein kleines Projekt zu starten, wenn es nicht eingebettet ist in sehr viel mehr.
Bis bald!
Die Schwester
Andreas Meißner (Freitag, 21 Juni 2019 21:03)
Nicht im Klein-Klein sich verzetteln!
Michael Bilharz vom Umweltbundesamt spricht von den "big points", und das sind Mobilität, Heizen, Ernährung. Okay, da gehören die Trockenfrüchte, oder worum es ging, auch dazu.
Sich politisch engagieren und den Druck nach oben aufrecht erhalten, etwa damit eine wirklich wirksame CO2-Steuer kommt, ist sinnvoller, scheint mir. Neue Geschäftsmodelle laufen Gefahr, wieder in das Hamsterrad von Kosten decken, Gewinn erzielen, etc. zu geraten.
VG, Andreas
Volker (Donnerstag, 27 Juni 2019 21:47)
Liebe Maiken,
Deine Begeisterung für den Kaffee kann ich aufgrund Deiner Kritik an kleinen Maßnahmen nicht nachvollziehen. Der Kaffee ist dann zwar per Segelschiff nach Bremen gekommen, aber von da geht es in Kleinverpackungen durch Deutschland. Du kannst den Kaffee genauso in Unverpacktläden kaufen. Und warum Kaffee aus fernen Ländern? Du kannst auch Lupinenkaffee trinken oder zumindest mit Kaffeepulver mischen. Die Süßlupinen werden z.B. in Deutschland nach Bioland-Richtlinien angebaut.
LG
Volker
Maiken (Donnerstag, 27 Juni 2019 23:55)
Innerhalb Deutschlands wird der Kaffee zum Teil mit dem Rad verteilt. Aber stimmt schon, weitere Bestellungen sind in 500 g Packungen. Auch nicht gut. Immerhin wird es halt nicht mit Dampfer über´s Meer transportiert. Das ist schon mal sehr viel besser. Süßlupinen? Haben die denn Koffein? Ich kann natürlich auch Apfelsaft trinken oder am besten gleich Wasser. Aber wenn man dann doch gerne ab und zu Kaffee trinkt, dann gibt es keine wirkliche Alternative, oder? Aber gut, dann halt mal Süßlupinen ausprobieren - bin offen für alles. Bin gespannt...
Ich bin nicht gegen Großsendungen. Das ist schon eine gute Idee, im Prinzip. Nur sollte man dabei nicht die Größe des Gesamtproblems nicht übersehen. Wenn man unverpackt Macademia Nuts aus Südamerika bestellt und gleichzeitig überallhin mit einem fossilen Auto fährt, dann ist die Aktion etwas lächerlich; aber wenn es Teil von einem Gesamtkonzept ist, in dem man auf allen Ebeben den Konsum (von Waren und Energie) reduziert, dann sag ich gar nichts.
Maiken (Freitag, 28 Juni 2019 12:12)
Ein Nachtrag: Bitte nicht im Klein-Klein verzetteln, wie ja auch Andreas Meissner schon geschrieben hat. Es geht hier weder um Kaffee noch um Nüsse. Es geht darum, dass wir möglichst effektiv und schnell Änderungen bewirken, die ausreichen, eine Katastrophe zu verhindern. Und da sind Denkansätze wie der, Waren mit dem Segelschiff zu transportieren, schon ziemlich begeisterungswürdig, weil er einen der großen Klimakiller - Güterterspot auf Schiffen - umgeht. Da geht es weniger um den Kaffee an sich sondern um eine grundsätzliche Änderung des Transportes. Den brauchen wir. Dringendst.