Verantwortung auf andere abschieben - das ist ein typisch menschliches Verhalten. Aber ist das heute in Zeiten der globalen ökologischen und klimatischen Krisen noch angemessen? Ich denke: Nein. Es ist dringend Zeit, dass jeder, der versteht um was es geht, sich auch für die notwendigen Änderungen einsetzt - sowohl im eigenen Leben als auch im eigenen Umfeld.
Kürzlich unterhielt ich mich mit jemandem über ihren Betrieb und die Möglichkeit, dort nachhaltige Änderungen durchzuführen. Die Antwort: "Das gehört nicht zu meinem Aufgabenbereich. Dafür ist eine andere Abteilung zuständig."
Pause.
"Aber ich setzte mich auch ein", schob sie schnell hinterher, "Ich bin Veganerin und Tierschützein"..und biss herzhaft in eine mit Käse belegte Pizza.
Puh! Mein Problem?
ich halte das Abschieben von Verantwortung für extrem schwierig in einer Zeit in der es um unser aller Überleben geht. Man kann sich alle möglichen Umstände vor Augen rufen, in denen das Abschieben von Verantwortung zum Verhängnis von einzelnen Menschen oder ganzen Menschengruppen führt. Klar, nicht nur meine Gesprächspartnerin verkennt unsere Situation. Sie vertritt "nur" all diejenigen, die weiterhin noch nicht erkennen, worum es bei der ökologischen und klimatischen Katastrophe geht. Sie repräsentierte in diesem Moment die gesammte Kurzsichtigkeit, Veranwortlichlosigkeit und Dummheit der Menschheit.
Zugegeben, meine Gesprächspartnerin ist nicht Schuld, wenn die Menschheit offenen Auges gegen die Wand fährt. Aber es sind Menschen wie sie, die mit dafür verantwortlich sind.
Natürlich sind auch die Politiker verantwortlich, die Großindustriellen, die Lobbyisten, die fossile Industrie, die Banken, die Kapitalisten, die Nationalisten, die Egoisten, die Leute von der zuständigen Arbeitsgruppe, der Kollege, der viel mehr fliegt, Auto fährt, Fleischfresser ist,....
Stop!
Ist es nicht Zeit, selbst sehr viel mehr Verantwortung zu übernehmen?
Ist es nicht Zeit, selbst alles zu tun, um eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen?
Ist es nicht Zeit, offen anzusprechen, worum es geht - unser aller (Über)Leben?
Wir haben nicht nur Verantwortung für das,
was wir tun,
sondern auch für das,
was wir nicht tun.
Moliere
Wir haben keine Zeit, Verantwortungen herumzuschieben und um den heißen Brei zu reden. Die SchülerInnen der Fridays4Future Bewegung wissen das: Sie sagen ganz deutlich was Sache ist - und sind auch daher so erfolgreich.
Natürlich kann nicht jeder Aktivist werden. Aber jeder, der versteht, um was es geht, sollte im eigenen Leben und eigenem Umfeld zusehen, dass sich etwas ändert. Und zwar schnell und massiv. Egal, ob es die eigene Arbeitsgruppe ist oder die im Nachbüro. Und selbst wenn schon etwas gemacht wird, ist die Nachfrage notwendig - wird schon genug unternommen? Sind wir über die geplanten Maßnahmen in 10 Jahren klimaneutral? Wenn nicht, dann sind die Maßnahmen noch nicht ausreichend. Und es ist mit MEINE Verantwortung, das zu ändern.
Es ist einfach zu spät für Ausreden und Abschieben der Verantwortung auf andere.
Leider.
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Dietrich Schwägerl (Freitag, 10 Mai 2019 10:09)
Die Haltung "ist nicht mein Ressort" ist viel zu weit verbreitet. Ebenso die Angst vor Tabus. Sir David Attenborough bringt es so präzise auf den Punkt: "There is no major problem facing our planet that would not be easier to solve if there were fewer people; and no problem that does not become harder — and ultimately impossible to solve — with ever more. And yet there seems to be a taboo on bringing the subject into the open."
Das ist in völliger Übereinstimmung mit den Resultaten der Ökosystemanalyse, vgl. z.B. https://www.biologicaldiversity.org/programs/population_and_sustainability/extinction/.
Auch Deutschland ist weit über die Grenzen der ökologischen Dauertragfähigkeit hinaus überbesiedelt, siehe etwa http://herbert-gruhl.de/der-stieglitz-und-die-energiewende/, dort insbesondere die Links zu ZieglerEuropa.pdf und SaeugetierKorrel06.pdf.
Herbert Gruhl hatte als erster deutscher Politiker solche grundlegenden und andere Themen der Ökologie formuliert. Leider wurde er von allen politischen Gruppierungen, in denen er aktiv war, "verbannt" - zuerst von der CDU unter Kohl, dann von den den Grünen, deren Mitbegründer er war, und auch von der ödp, die er nach dem Richtungswechsel der Grünen gegründet hatte.
Heute erleben wir, wie sich die Situation immer mehr zuspitzt. Daher müssen wir nicht nur der Verantwortung dafür gerecht werden, in unserem persönlichen Bereich mit Energie und Resourcen sparsam umzugehen und die Natur zu schonen. Wir müssen auch Organisationen fördern, die weltweit aktiv für den Schutz unserer Mitlebewesen und ihrer Lebensräume vor Ausbeutung, Missbrauch und Expansion unserer egoistischen Spezies arbeiten. Dass wir für Bewusstseinsbildung in den ökologischen Erfordernissen sorgen und auf gesellschaftlich relevante Gruppen einzuwirken versuchen, so gut wir es vermögen, gehört dazu.
Andreas Meißner (Freitag, 10 Mai 2019 18:06)
Es tut schon weh, wenn man sieht, wie liebe Mitmenschen sich so wenig Gedanken über die Umweltkrisen machen, ich könnte mich auch täglich darüber aufregen.
Aber es bestätigt wieder einmal meine These, dass Verleugnung und
Ignorieren noch gut funktionieren, und selbst bei vorhandenem Bewusstsein etwa zu Klima- und Artensterben-Krisen der Einzelne in seinem Engagement letztlich überfordert ist, zu viel gibt es zu bedenken, zu klein ist das "ökologische Durchhaltevermögen"!
Das entlässt trotzdem niemanden aus der Verantwortung. Jeder sollte sich nach besten Kräften um nachhaltige Lebensstile bemühen - und da darf man auch ruhig mal seine Mitmenschen, seinen Chef oder sonstwen freundlich-kritisch ansprechen.
Aber letztlich muss das politische Handeln dazu kommen, hier müssen die Leitplanken gesetzt werden. Wenn durch eine CO2-Steuer die fossile Energie spürbar teurer wird, regelt sich manches von selbst.
Aber was nur, wenn Politiker ähnlich wie ihrer Bürger verdrängen und ignorieren, oder eben widersprüchlich sind in ihren Einstellungen, Motivationen und Haltungen, so wie das für Menschen ganz normal ist?
Dann bleibt im Moment tatsächlich nur die Hoffnung, dass die kids mit ihrem unverstellten und unbefangenen Blick auf die Welt uns wachrütteln und gehörig unter Druck setzen, ähnlich den 68ern, die ihre Eltern gefragt haben, wie sie eigentlich so die Welt ruinieren konnten.
Und auffällig ist derzeit die Zunahme von Volksbegehren. Das zeigt ja auch, dass viele Menschen mehr politisch erreichen wollen und gleichzeitig merken, wie wenig das leider den Politikern gelingt (wohl am ehesten aus oben genannten Gründen).
Wenn weder Jugendprotest noch mehr direkte Demokratie helfen können, werden wir aushalten müssen, dass unsere westliche Kultur, im worst case auch die Art Mensch endlich sind - wie auch die 98% aller irgendwann existiert habenden Arten, die im Verlauf der Evolution verschwunden sind (und hier jetzt mal nicht menschenverursacht).
Doch auch diese Sicht berechtigt nicht zu fatalistischem Nichts-Tun. Schließlich ist auch unser eigenes Leben endlich - und wir versuchen trotzdem, sinnvoll zu leben und für unsere Nachfahren zu sorgen.
In diesem Sinne: Aktiv werden, zu "weniger ist mehr" kommen, und sich nicht zu sehr über andere (China, USA, Lindner, Merkel oder Mitmenschen) ärgern! Manchmal wirken solche Gespräche ja noch nach, ohne dass man es dann mitbekommt!
Ulaya Gadalla (Freitag, 10 Mai 2019 19:52)
Ich denke mit Liebe an meine Eltern zurück, die schon nach dem Krieg ein anderes Verständnis von Konsum hatten: Qualität statt Quantität, heimische Produkte bevorzugen, Wegwerfgesellschaft verachten. Ich sehne mich nach dem Luxus meiner Jugend: Noch halbwegs intakte Natur, gesunde Lebensmittel, kein Plastik. Auch unter den Gesichtspunkten der Ästhetik: Es gab noch wunderschöne Blumengärten, viele bauten ihr eigenes Gemüse an.Ich denke an einen Biologielehrer, der bereits in den 70erJahren uns Schülern das Funktionieren eines Ökosystems genau erklärte und genau voraussah, was heute passiert, uns beschwor, dagegen anzukämpfen. Mein Beitrag heute? Ich kämpfe gegen die Plastikflut, mache, wo es geht, auf die Überbevölkerung der Erde aufmerksam, versuche in meiner Umgebung das Konsumverhalten von uns allen zu thematisieren.
Maiken (Samstag, 11 Mai 2019 00:01)
Danke für eure Kommentare. Ich komme gerade von einem Vortrag von mir zurück "Yes. Do panic. Warum Greta Therborg recht hat und was wir tun können." Sehr angeregte Diskussion danach. Und das Schöne: Es geht ganz viel ums Miteinander; um das "Zusammen-den-Weg-Beschreiten", zusammen sich einsetzen. Es gibt sehr viel Wollen, aber noch viel Hilflosigkeit - wie genau die Dringlichkeit angehen, wie das alles in meinem Kollegium, in meinem Dorf, in meiner Gemeinde so vermitteln, dass meine Mitmenschen motiviert werden? Der Spagat zwischen Aufklären und Motivieren, ohne Depressionen auszulösen, ist schwierig, aber auch wunderbar. Mehr aufzeigen, was wir verlieren, die Schönheit, die Ruhe, die Schönheit...das ist wesentlich. Und nicht nur hoffen, dass andere es richten, sondern selbst tun, was immer wir können. Danke für euren Einsatz!