Fragen an einen der altgediensteten Wetterwarte der Zugspitze

Robert Schardt auf dem Wetterturm der Zugspitze
Robert Schardt auf dem Wetterturm der Zugspitze

Robert Schardt ist seit 37 Jahren Wetterwart an der Wetterwarte in Garmisch und auf der Zugspitze. Damit ist er einer der dienstältesten Wetterwärter auf der Zugspitze. Dort werden Wetterdaten schon seit 1900 aufgezeichnet. Ich durfte einen Tag mit ihm auf der Zugspitze verbringen.

 

Was hat Sie dazu bewegt, Wetterwart zu werden?

Das weiß auch nicht genau; genetisch war ich nicht vorbelastet. Wetter und alles was damit zusammengehört hat mich aber bereits von frühester Jugend an interessiert. Ich habe schon als Kind im eigenen Garten Temperatur, Feuchte, Luftdruck und Schneehöhe gemessen und grafisch auf Millimeterpapier dargestellt.

 

Welche Beobachtungen haben Sie besonders beeindruckt?

Ich liebe Extremwetter jeder Art. Was mich aber besonders beeindruckt und gleichzeitig bestürzt ist das immer schnellere Voranschreiten des Klimawandels. Diesen habe ich „live“ auf der Zugspitze erlebt: Innerhalb der vier Jahrzehnte, in denen ich auf der Zugspitze als Wetterwart tätig war, hat sich der Schneeferner halbiert!

Der Schneeferner ist im Winter durch die kontinuierliche Schneedecke nicht erkennbar. Im Sommer sieht es da ganz anders aus.
Der Schneeferner ist im Winter durch die kontinuierliche Schneedecke nicht erkennbar. Im Sommer sieht es da ganz anders aus.

Waren Sie schon einmal in Situationen, bei denen Ihre Beobachtungen wesentlich für die Sicherheit von Menschen beitrug?

Wir tauschen während des Skibetriebes täglich Daten mit dem Bayerischen Lawinenwarndienst aus. Außerdem warnen wir die umliegenden Bergbahnen vor Sturm und Gewitter, die diese Warnungen dann an die Touristen weitergeben. Was aber seit 01.06.2018 wegen der weiteren Automatisierung der Wetterbeobachtung und der damit einhergehenden Arbeitszeitreduzierung nicht mehr vollumfänglich möglich ist.

 

Beim Zugspitztrail (Berglauf von Ehrwald über Ehrwalder Alm und Gatterl und über´s Zugspitzplatt zum Gipfel) vor einigen Jahren wurde das Rennen bereits bei Regenwetter gestartet. Während des Laufs sank die Temperatur und die Schneefallgrenze, wodurch viele Läufer starke Unterkühlungen erlitten. Eine Person starb. Die offizielle Wettervorhersage als auch die Auskünfte der Wetterwarte waren aber in allen Belangen zutreffend, wurden aber leider nicht ernst genug genommen.

Der Blick von der Zugspitze und auch von der Station in Garmisch ist wunderschön. Relativieren sich Probleme, wenn man ständig von einer solch wunderschönen Natur umgeben ist?

Das mit der schönen Natur kommt immer darauf an, aus welchem Blickwinkel man die Sache betrachtet: Viele Leute aus der Großstadt suchen eine naturnähere Umgebung und die finden sie hier. Wenn man aber schon mal in den Weiten der USA oder Neuseelands unterwegs war, dann sieht man das, was hier um Garmisch und auf der Zugspitze so los ist, mehr als Naturzerstörung. Aber klar: Viel besser als in jeder Großstadt der Erde ist es hier natürlich.

 

Also, mich als geborene Münchnerin faszinierte der weite Blick und der fantastische Himmel sehr! Hier einige Eindrücke:

Robert Schardt in seinem Büro im Wetterturm
Robert Schardt in seinem Büro im Wetterturm

Ist es nicht auch ziemlich einsam, so eine Arbeit als Wetterwart? Da muss man ja gut mit sich selbst zurecht-kommen können!

Für 24 Stunden, seit 01.06.2018 nur noch 15 Stunden, ist das wahrlich kein Problem. Bis zum Bau der 1. Seilbahn 1930 haben viele Kollegen jeweils 1 Jahr ununterbrochen auf der Station zugebracht (von Anfang Oktober bis Mitte Mai völlig alleine, da in dieser Zeit die Bergsteigerunterkunft Münchner Haus geschlossen war). Das könnte ich mir nicht vorstellen.

 

Als Wetterwart beobachten Sie die tägliche Wettersituation. Doch über die Jahrzehnte Ihrer Arbeit haben Sie ja auch klimatische Veränderungen hautnah mitbekommen. Welche Klimaveränderungen haben Sie bei Ihrer Arbeit erlebt und dokumentiert?

Immer raschere Temperaturzunahme – Gletscherrückgang – zunehmende Starkniederschlagsereignisse – Abnahme der Tage mit Schneedecke – durchschnittlich geringere Schneehöhen. Da gab es schon viele, ganz klare zeichen des Klimawandels.

Jahresmitteltemperaturen auf der Wetterwarte Zugspitze, 1901 - 2017. Klar erkennbar ist der starke Temperaturanstieg in den letzten Jahrzehnten.
Jahresmitteltemperaturen auf der Wetterwarte Zugspitze, 1901 - 2017. Klar erkennbar ist der starke Temperaturanstieg in den letzten Jahrzehnten.

Wie schätzen Sie unsere derzeitige Lage ein - sind die Klimaschutz-Maßnahmen, die geplant sind, ausreichend, um das Klima stabil zu halten?

Welche Klimaschutzmaßnahmen? Hunderte Politiker aus aller Welt jetten zu Konferenzen, hören sich die alarmierenden Berichte der Experten an – beschließen etwas, oder auch nicht – ist aber auch egal, weil getan wird eh nichts. Also ganz klar: Die Kipppunkte werden erreicht und die Menschheit steuert sehenden Auges in die Katastrophe.

 

Wie kommen Sie zu diesen Einschätzungen?

Wenn nahezu 100 % der Wissenschaftler die Ursachen des Klimawandels als menschengemacht einschätzen, dann wäre ich schön blöd dies zu negieren. Wie sagt eine mir sehr gut bekannte sehr liebe Wissenschaftlerin immer: Klimawandel ist keine Glaubensfrage!

 

Haben Sie denn gar keine Hoffnung mehr, dass wir die Klimakatastrophe abwenden können?

Da kann ich mich kurz fassen: Ehrlich NEIN.

 

Die Messgeräte auf dem Wetterturm der Zugspitze.
Die Messgeräte auf dem Wetterturm der Zugspitze.

Welche Möglichkeiten haben Sie bei Ihrer Arbeit, den Menschen dennoch die Dringlichkeit des Klimaschutzes näher zu bringen?

Allein schon die Temperaturentwicklung an unseren beiden Stationen in Garmisch-Partenkirchen und auf der Zugspitze (hier verbunden mit dem rasanten Gletscherschwund) sollte aussagekräftig genug sein. Die ist anhand der Grafiken der vergangenen 120 Jahre ja mehr als deutlich aufzuzeigen: Das absolute Gros des Temperaturanstiegs erfolgte erst in den vergangenen 30 Jahren! Wir erklären dies auf der Zugspitze bei Führungen, in erster Linie für Schüler und Studenten.

 

Welche anderen Maßnahmen halten Sie für notwendig, um uns eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen?

Neben der, meines Erachtens bereits verpassten politischen Maßnahmen, wie der sofortige Umstieg auf regenerative Energien, müsste natürlich jeder Einzelne seinen Lebensstil grundlegend ändern, denn nicht „nur“ der Klimawandel ist ein globales Problem, sondern die Umweltzerstörung an sich. Das bedeutet, jeder Bürger sollte in allen Bereichen nachhaltig leben – also so, dass unsere Lebensweise das Leben zukünftiger Generationen nicht beeinträchtigt. Dazu gehört u. a. weniger und schonenderer Verbrauch aller Ressourcen (Energie, Materialien, Lebensmittelweniger Individualverkehr durch Nutzung des ÖPNV und der eigenen Körperkraft (Radfahren, zu Fuß gehen), Ernährung durch Bioprodukte zur Stärkung einer umweltgerechten, dezentralen Landwirtschaft, Vermeidung von Verpackungsmüll und vieles mehr.

 

Die Wetterstationen werden über die nächsten Jahre voll-automatisiert. Welche Arbeiten werden auch bei voll-automatisierten Stationen noch von Menschen wie Sie durchgeführt?

Das ist unterschiedlich: Flachlandstationen bedürfen nur wenig Sensorikpflege und Betreuung. Sollte hier ein Ausfall auftreten, dann kann das DWD-Personal von den Technikzentren schnell kommen, um den Schaden zu beheben. Auf automatisierten Bergstationen kümmert sich in der Regel eine externe Firma um die Sensorikbetreuung. Die Zugspitze bildet hier eine Ausnahme. Hier bleibt DWD-Personal vor Ort, um die Sensorik zu betreuen. Zusätzlich arbeitet das DWD-Personal in der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus für das GAW-(Global-Atmosphere-Watch)Programm der WMO.

 

Dann ist der "Wetterwart" also ein aussterbender Beruf. Halten Sie das für sinnvoll und zeitgemäß oder haben Sie Bedenken bei dieser Umstellung? Gibt es Wissen, das nicht von Maschinen ersetzt werden kann und das daher mit dem Wetterwart verloren geht?

Festzuhalten ist leider: Es gibt keinen meteorologischen Parameter mehr, der nicht maschinell gemessen werden könnte. Was die Genauigkeit angeht, müssen z.B. bei der Sichtweite im höheren Bereich, bei der Schneehöhe (Neuschnee entfällt völlig) und besonders beim Bedeckungsgrad des Himmels größere Abstriche gemacht werden. Dies führt dazu, dass die langjährigen Klimareihen – was den Durchschnitt des Bedeckungsgrades betrifft – hier sehr verfälscht werden, sollten diese überhaupt weitergeführt werden. Auch ein Fortführen der Statistik, was z.B. die Anzahl der Gewittertage für einen bestimmten Ort betrifft, wird schwierig.

 

Wenn die Datenqualität schlechter wird – ist dann eine Automatisierung sinnvoll, gerade in Zeiten des Klimawandels, wenn genaue Datenreihen wesentlich wären, um Klimamodelle zu erstellen?

Viele Daten, darunter auch die Temperaturaufzeichnungen laufen ja bereits Jahrzehnten vollautomatisch, auch auf der Zugspitze. Die Sensorik wird vom Personal schnee- und eisfrei gehalten, sodass meiner Meinung nach hier eine ausreichende Qualität gewährleistet ist.

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    anneke dorany (Mittwoch, 20 Juni 2018 08:21)

    Sehr interessant und wunderschöne Bilder (musst mich mal mitnehmen )

  • #2

    Paula (Donnerstag, 21 Juni 2018 13:01)

    Super Bericht, danke!

  • #3

    Maiken Winter (Donnerstag, 21 Juni 2018 14:33)

    Wenn Interesse besteht, kann ich gerne eine Exkursion auf die Zugspitze organisieren. Am besten Mitte August eine Wanderung über die Knorrhütte - die Seilbahn ist sehr teuer. Wer will?