Man muss nicht "Öko" sein, um an der Klimaschutz-Bewegung teilzunehmen!
Vor Kurzem hielt ich einen Vortrag über die neuesten Fakten des Klimawandels vor StudentInnen der LMU. Danach diskutierten wir noch lange darüber, warum sich weiterhin so wenige Menschen aktiv beim Klimaschutz positionieren. Spezifisch sprachen wir über die geringe Teilnehmerzahl bei der Klimaschutz-Demonstration in München (wir berichteten). Die Erklärungen der StudentInnen haben mir die Augen geöffnet:
Die Hauptgründe, dass die StudentInnen nicht an der Demonstration teilnahmen, waren:
1. Ihnen war die Dringlichkeit des Klimaschutzes nicht bewusst.
2. Sie hatten gar nicht mitbekommen, dass die Demonstration stattfand.
3. Sie fühlten sich nicht dazu gehörig.
Natürlich sind einige StudentInnen der LMU nicht repräsentativ für ganz Deutschland. Aber ich glaube, dass deren Aussagen auf viele MitbürgerInnen zutreffen.
1. Die Bevölkerung ist weiterhin viel zu wenig über den Klimawandel informiert
Es besteht eine fundamentale Fehleinschätzung darüber, wie gut die Bevölkerung über die Dringlichkeit des Klimawandels informiert ist. Bei meinen Vorträgen frage ich seit Jahren die gleichen, wichtigen Fragen zum Klimawandel - und fast nie sind die wesentlichen Fakten bekannt.
2. Klimaschützer haben zu wenige Überschneidungen mit anderen Bevölkerungsgruppen.
Für die Klimaschutz-Demonstration in München hatten wir relativ viel Geld in Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben: Tausende Flyer wurden verteilt, Plakate wurden aufgehängt, das facebook event wurde
promoted, Partner-Organisationen schrieben ihre Mitglieder an. Die Informationen wurden trotz aller Bemühungen wohl nicht effektiv genug aus unserem "internen" Bereich der Klimaschützer
herausgetragen.
Aber der wichtigste Punkt ist wohl dieser:
3. Klimaschützer wirken (oder sind?) zu exklusiv
Ungewollt halten wir Klimaschützer die Massen, die wir für eine schnelle Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft dringendst benötigen, von einer Teilnahme ab. Wir stehen also unserem eigenen Ziel im Weg. Warum? Weil wir u.a. so wahrgenommen werden, als würden wir die Menschen als "gut" (Fahrradfahrer; Ferien im Bayrischen Wald; Jutetasche im Ökoladen) und "böse" (BMW-Fahrer; Mallorca-Urlauber, Aldi-Einkäufer) einteilen. Dem erhobenen Zeigefinger wollen sich Viele nicht aussetzen; sie fühlen sich einfach in der Nähe von Klimaschützern nicht wohl, da sie meinen, wegen ihres Lebensstils nicht dazu zu passen oder gar verbal angegriffen zu werden.
Was tun?
Was tun mit diesen Erkenntnissen? Vor allem benötigen wir Klimaschützer ein klares Bewusstsein darüber, dass wir ein Kommunikations-Problem haben; und wir brauchen
den Willen, dieses Problem anzupacken, indem wir gleichzeitig folgende Bereiche angehen:
1. Bildungsoffensive Klimawandel
Es ist vollkommen inakzeptabel, dass weiterhin die Wenigsten wirklich wissen und verstehen, um was es beim Klimawandel geht - um eine globale Bedrohung, die wir nur angehen können, wenn wir
innerhalb der nächsten Jahre massive Änderungen in unserer Lebensweise tatsächlich umsetzen - sowohl in unserer Art der Energiegewinnung, in der Menge des Energie- und Rohstoffverbrauchs und in
unserer indirekten Beteiligung an der Zerstörung der Natur durch usner oft gedankenloses Konsumverhalten. Dazu benötigt es parallele Ansätze in allen Bereichen unseres Lebens - nicht nur an
Bildungseinrichtungen, sondern auch bei Firmen, Kirchen, politischen Einrichtungen, Journalistenverbänden etc. Der
Klimawandel darf nicht mehr nur ein Randthema sein. Ganz besonders geht es nicht an, dass der Klimawandel inkl. der Energiewende nicht zentrales Thema bei der Bundestagswahl sind.
Es muss endlich klar werden, dass das Wissen um die Bedrohung durch den Klimawandel nichts mit "Glauben" zu tun hat, sondern mit dem Wissen und Verstehen
wissenschaftlicher Fakten.
2. Schaffung von Schnittmengen
In welchen Bereichen überschneiden sich die Interessen von Klimaschützern und anderen Teilen der Bevölkerung? Über welche Kanäle können Menschen angesprochen werden,
die bisher nichts mit Klimaschützern zu tun haben? Es gilt, diese Schnittmengen zu finden und neue zu schaffen. Schnittmengen sind z.B. Fussballclubs, Pop-Stars, Models und Schauspieler. Wenn
sich mehr allgemein respektierte Persönlichkeiten für den Klimaschutz aussprechen würden (wie z.B. Leonardo di Caprio), dann bekäme die Klimaschutz-Bewegung auch mehr Beachtung.
3. Klimaschutz braucht Beteiligung aller!
Klimaschutz muss endlich aus der Ecke der "Ökos" heraus. Im Grunde ist er das schon längst - dachte ich; aber er wird wohl weiterhin von vielen als "Öko-Bewegung" wahrgenommen. Der Klimaschutz braucht Inklusionsbeauftragte. Dabei könnten die unter Punkt 2 erwähnten Vorbilder helfen.
Eines sollten diejenigen, die sich noch nicht als "Teil der Bewegung" fühlen, wissen: wir Klimaschützer sind absolut keine homogene
Gruppe. Klar, es gibt typische "Ökos", was immer man darunter verstehen mag. Aber es gibt auch viele andere Menschen, die sich für den Klimaschutz engagieren, die im persönlichen Leben nicht
wirklich viel zum Klimaschutz beitragen.
Es muss klar sein: der Klimawandel ist so weit fortgeschritten, dass es im Moment gar nicht mehr so sehr auf Veränderungen im persönlichen Leben ankommt. Was wir benötigen sind klare Richtlinien
der Politik, die diejenigen Maßnahmen massiv fördern, die unsere Zukunft lebenswert erhalten - allem voran die Energiewende zu 100% Erneuerbaren Energien
innerhalb der nächsten 10 - 15 Jahre, sowie eine Einpreisung des CO2 Ausstosses in alle Produkte.
Um dies zu ermöglichen benötigen wir ein klares Zeichen der Bevölkerung, dass effektiver Klimaschutz JETZT gefordert wird. Denn Politiker machen besonders gerne das, was von dem Großteil der Bevölkerung erwünscht ist, um ihre Chancen zu erhöhen, gewählt zu werden.
Machen Sie daher Ihren Politikern klar, dass sie effektiven Klimaschutz jetzt fordern. Gehen Sie dafür auf die Straße, egal ob Sie einen SUV oder ein Fahrrad fahren. Schreiben Sie Leserbriefe! Treffen Sie sich mit Ihrer Bundesabgeordneten!
Klimaschutz gehört an die oberste Stelle des Wahlkampfes, denn alle anderen versprochenen Maßnahmen treten in den Hintergrund, wenn das Klima erst einmal destabilisiert ist.
Machen Sie mit beim Klimaschutz. Wir, die Menschheit, braucht SIE, egal wer Sie sind und wie sie leben. Wir freuen uns auf jeden, der Klimaschutz unterstützt.
Dieser Artikel wurde auch auf der online Seite des Forum Nachhaltig Wirtschaften veröffentlicht.
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Anonymous (Freitag, 02 Juni 2017 22:36)
Die dringende Notwendigkeit des klimaschutzes und auch des Natur und Umweltschutzes (ist für mich sowieso untrennbar verbunden) kommt beim "Otto Normalverbraucher "kaum an.
Das liegt vor allem auch an der Regionalpolitik und an den Schwerpunkten, die diese vermitteln. "Infrastruktur, Parkplätze,Wohnungbau, Sicherheit, Diebstahl und Flüchtlinge" sind z.B. Schlagwörter und das in dieser Reihenfolge. ...
Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, Ausbau und Förderung von SolarStrom, Einsparungen im Stromverbrauch, Erhalt von wertvollen Lebensräumen von Tieren in der Stadt, der wirkliche schutz von unserer grünen Lunge, den Bäumen und Grünflächen in der Stadt. ...
Kommt nicht wirklich rüber.
Ich glaube, dass die Regionalpolitik, engagierte Bürgermeister und Aufklärungarbeit auch inspirierende Aktionen und Verwirklichung von innovativen Ideen viel bringen würde.
Die Politiker da oben.....Das interessiert die doch nicht wirklich.
Zu weit weg.
Die Regionalpolitiker sollten sich verstärkt dafür einsetzen....
MW (Samstag, 03 Juni 2017 18:04)
Ich schätze, das sich nicht dazugehörig Fühlen spiegelt eher die innere Distanz zum Thema und hat insofern keine eigene Bedeutung im Zusammenhang mit dem "Outfit" der Klimaschützer. Das "Feeling" wäre dann eher eine Thema für Sozialarbeiter, die auf das Milieu pädagogisch einwirken könnten wie z.B. bei der Gewaltprävention.
Maiken Winter (Sonntag, 04 Juni 2017 10:46)
Vielleicht beides. Ich glaube schon, dass viele Menschen sich einfach nicht dazugehörig fühlen. Das geht mir ja auch etwas so bei "Ende Gelände". Da wird ein Schritt weiter gegangen als bei einer einfachen Demo, denn der Kohleabbau wird aktiv gestoppt, indem die Leute in die Abbaugebiete hineingehen. Das ist eine ganz wichtige Aktion, aber in mir sträubt es sich noch etwas, weil es radikal erscheint, weil ich mich nicht ganz zugehörig fühle. Da ist noch eine Distanz, eine Art Angst, die mich noch hindert, begeistert zu sagen, "Ja, das ist wichtig, da mache ich mit!" Da geht es mir wie anderen wahrscheinlich mit der Demo. Wie man diese Distanz aufheben oder zumindest verringern kann, das wäre sehr wichtig, herauszufinden.