In Oregon klagen Kinder ihr Grundrecht auf Leben, Freiheit und Eigentum ein – von der Regierung der USA. Dr. James Hansen, einer der führenden Klimawissenschaftler der USA, ist Mitkläger.
In einem Interview erklärt er Dr. Maiken Winter, warum diese Klimaschutzklage eine echte Chance hat und wie dieser Fall aus den USA unser Klima retten könnte.
Weltweit wird nach Ansicht führender Wissenschaftler zu wenig für den Klimaschutz und zu viel für die Subventionierung der Industrie getan. Das könnte die Zukunft der gesamten Menschheit aufs
Spiel setzen und verstößt gegen Artikel 3 der UN Menschenrechte, nach der Staaten dazu verpflichtet sind, alle Maßnahmen zu unterbinden, die die Sicherheit seiner Bürger gefährden. In den USA
wird das Grundrecht auf Leben, Freiheit und Eigentum durch das 5. und 14. Amendment der Bill of Rights, also der amerikanischen Verfassung, geschützt. Genau hier greift „OurChildrensTrust"
(OCT) an. Die US-amerikanische Organisation unterstützt über eigene Anwälte Kinder und
Jugendliche darin, ihr Recht für eine lebenswerte Zukunft einzuklagen. Nur sechs Jahre nach ihrer Gründung ist die Organisation in der ganzen Welt aktiv, auch in Europa.
Eine von OCT initiierte Klage in Oregon nahm jetzt eine erste wichtige Hürde: die Klage ist zulässig! Das bedeutet, dass sich das Landesgericht in Oregon auf die Klage inhaltlich einlässt. Im
September wird diese Zulässigkeit von einem staatlichen Gericht überprüft, danach wird es voraussichtlich zu einer Gerichtsverhandlung kommen. Das Besondere an dieser Klage: Es wird nicht nur ein
Bundesland oder ein einzelnes Kohlekraftwerk dazu verklagt, effektivere Klimaschutz-Maßnahmen durchzuführen, sondern der amerikanische Staat. Eine solche Vorgehensweise könnte weltweit eine
rasche Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen forcieren – vorausgesetzt, Klagen wie in Oregon werden überhaupt eingereicht und sind erfolgreich.
Dr. James Hansen ist als Kläger beteiligt – zusammen mit 21 Kindern und Jugendlichen. Er ist ehemaliger Direktor des NASA Goddard Institutes for Space Studies und einer der renommiertesten
Klimawissenschaftler der USA. Seit Jahrzehnten warnt Hansen vor den Auswirkungen des Klimawandels. Seine Studien – wie die vieler anderer Klimawissenschaftler - sind Weckrufe an die Welt: Der
Klimawandel ist eine Gefahr für die gesamte Menschheit!
Dr. Hansen, worum geht es bei dem Gerichtsverfahren?
Viele Kinder sind nicht glücklich über die Klimasituation – sie hören die Nachrichten und fühlen sich zu Recht unfair behandelt. Sie verlangen deshalb von der Bundesregierung der USA, dass sie
die Zukunft von Kindern und Jugendlichen und die aller zukünftigen Generationen schützt, indem sie effektivere Maßnahmen zum Klimaschutz ergreift.
Wie sind Sie dazu gekommen, an diesem Prozess teilzunehmen?
Eine Rechtswissenschaftlerin aus Oregon, Mary Wood, verwendete meinen Artikel „Threat to the Planet" in ihrer Abhandlung über rechtliche Grundlagen für den Schutz zukünftiger Generationen. In
diesem Artikel schrieb ich unter anderem darüber, dass die heutige Jugend die Hauptlast des Klimawandels tragen wird und dass es Zeit ist, dass sie sich dagegen wehrt. Mary hatte das Konzept der
Treuhandschaft („Public Trust") auf die Atmosphäre ausgeweitet.
Das Public Trust Konzept beruft sich darauf, dass der Staat die Treuhand über Naturgüter des Landes hat und sie so verwalten muss, dass die derzeitigen und zukünftigen Bürger des Landes sicher
und gut leben können. Das Treuhand Konzept ist in der US-Verfassung zwar nicht explizit formuliert, aber es hat eine lange Geschichte im Rechtssystem und geht zurück bis zum römischen Recht. Mary
bat mich um Unterstützung bei zukünftigen Klagen für den Klimaschutz – und ich willigte ein.
Auf welcher Grundlage stützt sich die Klage?
Wir besprachen unsere Vorgehensweise bei einem Workshop in Oregon im Herbst 2010, wo ich auch Julia Olsen traf, die gerade OCT (Our Children’s Trust) gegründet hatte und begeistert mit von der
Partie war. Ich machte mich dann zusammen mit einer Gruppe internationaler Wissenschaftler daran, die wissenschaftliche Grundlage für eine Klage zu erstellen. Dazu definierten wir, wie schnell
die Treibhausgas-Emissionen reduziert werden müssen, um das Klima zu stabilisieren.
Die wichtigsten Ergebnisse unserer Studie waren:
- Eine globale Erwärmung um zwei Grad Celsius hätte katastrophale Folgen.
- Die Menschheit darf insgesamt maximal 500 Gigatonnen CO2 emittieren; 2012 waren es schon 370 Gigatonnen.
- Um die Energiebilanz der Erde bis Ende des Jahrhunderts zu stabilisieren, darf die globale CO2 Konzentration maximal 350 ppm betragen – heute hat sie 407 ppm!
Parts per million (ppm) ist ein Maß für die Konzentration von Gasen und bezieht sich auf die Anzahl von Teilchen pro Millionen anderer Teilchen in der Luft. Um langfristig die CO2 Konzentration
auf 350 ppm zurückzufahren, müssen die globalen Emissionen um mindestens 6 Prozent pro Jahr reduziert werden. Falls Emissionen bis 2020 weiterhin ansteigen, müssten die Emissionen um 15 Prozent
pro Jahr reduziert werden.
Das vollständige Interview finden Sie beim Forum Nachhaltig Wirtschaften
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Hartmut Plötz (Donnerstag, 14 Juli 2016)
Liebe Maiken,
zu diesem Thema noch der Artikel 20a des Grundgesetzes: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen....mehr: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2013/47447610_kw49_grundgesetz_20a/213840
Aber: "Einklagbar sind Staatsziele, anders als Grundrechte, allerdings nicht." Daher ist es wichtig, sich auf die Grundrechte zu beziehen!
Dazu noch dies, vielleicht ist die auch James Hansen hilfreich:
KLIMA: Gericht verurteilt Niederlande zu mehr Klimaschutz, mehr:
https://www.uni-muenster.de/NiederlandeNet/aktuelles/archiv/2015/juni/0629klimaurteil.html
Das Urteil des Gerichts könnte nun als Präzedenzfall für andere Länder dienen. So hatten sich in Belgien bereits rund 10.000 Menschen der Bewegung Climate Case angeschlossen, die auf ein ähnliches Urteil hinarbeitet. Auch auf den Philippinen und in Norwegen werden Klagen dieser Art angestrebt. Jasper Teulings von Greenpeace International erklärte gegenüber dem britischen Sender BBC, dass das Urteil die gesamte Debatte verändern würde. „Wir sehen den Beginn einer Welle von Klimaprozessen“, erklärte Teulings.
Herzlichst
Hartmut
Maiken Winter (Freitag, 15 Juli 2016 07:56)
Danke, Hartmut!
Übrigens, auch das bayrische Grundgesetz schützt zukünftige Generationen, das sollten sich Herr Seehofer und Herr Söder mal ins Gedächtnis rufen::
Art. 141 Bayerische Verfassung:
(1) Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist, auch eingedenk der Verantwortung für die kommenden Generationen, der besonderen Fürsorge jedes einzelnen und der staatlichen Gemeinschaft anvertraut.Tiere werden als Lebewesen und Mitgeschöpfe geachtet und geschützt. Mit Naturgütern ist schonend und sparsam umzugehen.4Es gehört auch zu den vorrangigen Aufgaben von Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts, Boden, Wasser und Luft als natürliche Lebensgrundlagen zu schützen, eingetretene Schäden möglichst zu beheben oder auszugleichen und auf möglichst sparsamen Umgang mit Energie zu achten…
Zur Klage in den Niederlanden - die ist auch mit Our Childrens Trust verbandelt und Jim kennt sie natürlich. Die hätten wir dringend erwähnen sollen, wir waren da ganz auf Oregon fokussiert - danke für den Hinweis!
Maiken Winter (Freitag, 15 Juli 2016 09:10)
Die Rechte der Kinder werden endlich populär - auch World Vision fordert sie ein:
Hier eine Pressemitteiling vom 14.7.2016
Kinderrechte durch Folgen der Wetterkatastrophe El Niño schwer verletzt
Durch Auswirkungen von Klimaveränderungen und Wetterextremen werden die Rechte vieler Kinder schwer verletzt. Darauf macht die Kinderhilfsorganisation World Vision anlässlich der Vorstellung ihres Jahresberichts aufmerksam. „El Niño ist die größte Wetter-Katastrophe, mit der wir je zu tun hatten, wird im Verhältnis zu anderen Katastrophen aber zu wenig beachtet“, erklärte Christoph Waffenschmidt, Vorstandsvorsitzender von World Vision Deutschland. „Das Leben und die Zukunft von Millionen Kindern sind bedroht. Kinder haben ein Anrecht auf eine intakte und gesunde Umwelt.“ Sowohl in der UN-Kinderrechtskonvention, als auch in unserem Grundgesetz (Artikel 20a) sind entsprechende Rechte verankert.
Mindestens 60 Millionen Menschen weltweit, davon etwa die Hälfte Kinder, kämpfen aktuell mit den Folgen von Dürre oder Überschwemmungen, die das Wetterphänomen El Niño hervorgerufen hat. Mehrere Ernten sind in vielen Regionen zerstört. In neun Ländern des südlichen Afrika hat eine Gruppe von Hilfsorganisationen, einschließlich World Vision, die Situation der Kinder analysiert. Der aktuelle Bericht zeigt, dass nicht nur die Gesundheit der Kinder unter Nahrungs-und Wassermangel sowie wachsender Armut leidet. Viele Kinder gehen nicht mehr zur Schule und müssen arbeiten, zunehmend auch außerhalb ihrer Heimatorte. Auf der Suche nach Nahrung verlassen Eltern ihre Familien. Konflikte um Ressourcen nehmen zu und zwingen mehr Menschen zur Flucht.
„Da die Auswirkungen klimabedingter Katastrophen so weitreichend sind, brauchen wir Informationen und Fördermechanismen, die frühes Eingreifen ermöglichen“, betonte Waffenschmidt. World Vision gebe seinen Entwicklungsprojekten die Freiheit, bis zu 10 Prozent des Projektbudgets für Katstrophenhilfe zu verwenden. Auf Kinderschutzmaßnahmen dränge World Vision ebenfalls. Die Organisation konnte inzwischen rund 3 Millionen Menschen helfen, die von El Niño akut betroffen waren oder sind. Darüber hinaus arbeite das weltweite Netzwerk an Strategien und großen Gemeinschaftsprojekten zur Stärkung der lokalen Vorsorge und der Absicherung der Lebensgrundlagen, etwa durch Mikroversicherungen, Spareinlagen oder auch Agroforstwirtschaft. Die Bundesregierung sei hierbei ein wichtiger Partner, etwa in Somalia.
Mehr Regierungen müssten arme Länder darin unterstützen, früh auf große Krisen reagieren zu können und in den Klimaschutz zu investieren. „Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, ihre Zusagen, die sie auf der Pariser Klimakonferenz getroffen haben, dringend umzusetzen, damit Kinder auch in den kommenden Jahren eine Zukunft haben. Entwicklungszusammenarbeit und Klimaschutz gehören zusammen. Im Rahmen der Genfer Flüchtlingskonvention müssen auch unmenschliche Klimabedingungen in einem Land als Asylgrund aufgenommen werden.“